„Anna hat angerufen. Sie kommt etwas später, sie steht im Stau.“ „Wer ist Anna?“ „Anna ist Deine Tochter. Und Klaus, nimm bitte Deine grüne Tablette noch.“ Ein Dialog, wie ihn viele kennen, die Umgang mit dementen Menschen haben. Doch in dem Fall findet der Dialog nicht mit einer Pflegekraft statt, sondern zwischen dem Patienten und dem Roboter Nao. Nao hat nämlich gelernt, Klaus‘ Stimme zu erkennen. Er kann Informationen, die er von seiner Tochter über Handy bekommt, an Klaus weitergeben. Er kann Klaus daran erinnern, etwas zu essen und zu trinken – und daran, seine Medikamente zu nehmen. Das kann er sogar überprüfen – anhand des Inhalts der Pillenschachtel, aber auch durch einen kontrollierenden Blick in den Mund. Ist die Zeit bis zum Besuch der Tochter noch lang, fordert Nao Klaus zum Tanzen auf und legt gleich selbst los.
Sowie von der Stiftung Stephan Holzinger (Vorstandsvorsitzender), Eugen Münch (stv. Vorstandsvorsitzender), Prof. Bernd Griewing (Vorstand), Professor Boris Augurzky (wissenschaftl. Geschäftsführung), Dr. Johannes Gruber (Geschäftsführung) und Annette Kennel (Leiterin Büro Stiftung).
Derzeit ist das Thema Roboter aktuell wie selten zuvor. Die Presseanfragen bei Unternehmen, die Roboter herstellen, häufen sich und die ARD widmet dem Einsatz der Roboter in der Arbeitswelt der Zukunft gar eine ganze Themenwoche. Doch auch hier sind der Einsatz und die Möglichkeiten, die sich bieten, in der Gesundheitsbranche wieder einmal zögerlich. Dabei muss in Anbetracht der demografischen Entwicklung auch in dieser Branche über ihren sinnvollen Einsatz nachgedacht werden.
Was macht einen Roboter aus? „Das, was Nao macht, ist erst einmal nicht viel mehr als eine technische Überwachung“, fasste ein Teilnehmer zusammen, „Das könnten Sie auch online machen.“ Roboter definieren sich aber durch mehr: sie können nicht nur kommunikativ oder informativ unterstützten, sondern verfügen zusätzlich über Motorik und Sensorik – können also aktiv mit anpacken.
Einige Anwendungen sind bereits möglich, etwa der Care-O-Bot, ein Roboter, der im Haushalt und auch in der Klinik unterstützen kann. Er übernimmt etwa das Verteilen von Getränken und erinnert gezielt Patienten daran, noch etwas zu trinken – gesteuert über Gesichtserkennung. Außerdem protokolliert er, wer wie viel zu sich genommen hat, so dass das Pflegepersonal eine Übersicht erhält. Aber nicht nur das, er unterhält die Patienten sogar durch Musizieren und Spiele. Derzeit arbeitet das Fraunhofer Institut an einem intelligenten Pflegewagen. Dieser kann vom Pflegepersonal per Smartphone direkt ins Patientenzimmer bestellt werden, so dass es selbst den Raum nicht verlassen und den Patienten nicht alleine lassen muss. Der Wagen dokumentiert den Verbrauch. Geht etwa Verbandsmaterial zu Ende, meldet er dieses und fährt selbständig ins Lager, wo aufgefüllt wird.
Eine andere Art der Unterstützung bieten neuronale Exoskelette, die ebenfalls unter das Feld „Robotics“ fallen. Sie können zum Beispiel in der Therapie von Patienten eingesetzt werden, etwa um das Laufen und die Gangstabilität nach einer Erkrankung zu verbessern. Dabei funktioniert das Skelett nicht passiv, sondern reagiert auf neuronale Reize, die dann in einer Rückkoppelung verstärkt werden. Für Berufe, bei denen die Beschäftigten schwere Lasten heben müssen, ist eine andere Funktionalität dieser Exoskelette attraktiv: Sie können unterstützen, schwerere Lasten einfacher und schonend zu heben – eine Option, die gerade für die Mitarbeiter in der Pflege interessant ist.
Akzeptieren Patienten und Personal die Unterstützung durch Roboter?
Hier ist zu unterscheiden, wie eng der Roboter mit dem Menschen in Kontakt tritt. Zur ersten Kategorie gehören Roboter, die logistische Aufgaben wie zum Beispiel den Transport von Wäsche übernehmen und dazu vom Personal gesteuert werden. Sie haben keinen Patientenkontakt. Der zweiten Kategorie gehören Roboter an, de zwar mit Patienten in Kontakt kommen, aber nur indirekt über die Pflege – wie etwa der intelligente Pflegewagen. In die dritte Kategorie fallen schließlich Roboter, die ohne eine Pflegekraft in direkten Kontakt mit dem Patienten treten – wie das Modell des Nao. Studien zeigen außerdem, dass die Akzeptanz von Robotern bei Mitarbeitern aus der Pflege höher ist, wenn diese eher mechanisch gestaltet sind. Sehen sie zu menschlich aus, wird befürchtet, sie könnten den Menschen ersetzten. Bei den Patienten zeigt sich, dass gerade diejenigen, die eine beginnende, leichte Demenz haben, besonders gut mit Robotern zurechtkommen. Und auch die interaktive Trainingsunterstützung in Heimen sei wichtig und habe eine hohe Akzeptanz. „Es mag zunächst merkwürdig anmuten, wenn ein Demenzpatient mit einem Roboter spricht und spielt“, so ein Teilnehmer, „aber man darf nicht vergessen, dass er sonst stattdessen Stunden vor dem Fernseher verbringen würde – also gar nicht interagiert.“ Zudem sind die Interaktionen so gestaltet, dass sie die Kognition und die Beweglichkeit gezielt trainieren, also einen positiven Einfluss haben. Und man dürfe nicht übersehen, dass sich auch hierzulande das Kommunikationsverhalten durch die Technik ändere: „Manche Eltern haben doch heute mehr Kontakt mit ihren Kindern über Whatsapp und Skype als in persönlichen Treffen und Gesprächen.“
Blick nach Japan
Es scheint, als sei der Einsatz von Robotern in der Pflege und Betreuung in Japan schon fast Alltag. Dort gibt es seit 2013 bereits eine nationale „Robot Strategie“, die die Entwicklung und den Einsatz von Robotern in Medizin und Pflege einschließt und vorantreibt. Woher kommt diese höhere Akzeptanz der japanischen Bevölkerung? Zum einen ist sie bedingt durch die beliebten Mangas, in denen die Roboter meist als Helden auftreten. Zum anderen ist sie bedingt durch die Geschichte Japans und die geografische Insellage. „Die Bevölkerung möchte lieber unter sich bleiben. Da ist es ihnen lieber, es hilft ein Roboter als ein Fremder“, so ein Teilnehmer. Doch technisch sei Japan Deutschland nicht durchweg überlegen, in einigen Bereichen sei man hierzulande gar voraus.
Probleme bei der strategischen Planung
Wie bei den digitalen Produkten von Telemedizin bis hin zu Apps kämpfen auch die Hersteller von Robotersystemen damit, wie sie die innovativen Ansätze in den Gesundheitsmarkt bringen können. „Wir bemerken ein verstärktes öffentliches Interesse und erhalten auch vermehrt Anfragen. Aber ein großes Thema sind die Kosten“, fasste es ein Teilnehmer zusammen. Die Bereitschaft für Investitionen jenseits von Forschungsprojekten sei relativ gering. Es gibt viele gute Lösungen, die allerdings als Insellösungen existieren und nicht in einem großen Kontext gezielt entwickelt werden. So wird in der Automobilindustrie ein Roboter in Auftrag gegeben, der bestimmten Anforderungen gerecht werden muss. Im Krankenhausbereich dagegen werden Maschinen entwickelt, die auch noch andere Dinge könnten. Es fehlt jedoch die übergeordnete Strategie und die Ausrichtung der Entwicklung an den Prozessen. So auch beim Beispiel des intelligenten Pflegewagens: die Prozesse, die zum Einsatz erforderlich sind – Logistik, Einkauf etc. – werden im Nachgang angepasst statt beides gemeinsam zu planen.
Wie können die Innovationen ins System gebracht werden?
Für den Markteintritt muss die neue Technik zunächst verfügbar sein. Dabei ist es zu Beginn einfacher, wenn sie bestehende Angebote ergänzt und nicht ersetzt. Damit sie sich auch durchsetzten kann, sei es nach Meinung eines Teilnehmers der Diskussion Voraussetzung, dass sie zudem unvermeidbar sei. Für den Erfolg ist entscheidend, dass die Innovation einen ökonomischen Nutzen zeigt. Darüber hinaus muss sie einen Zusatznutzen für die Versorgung haben, wie etwa die Möglichkeit, länger in der gewohnten Umgebung bleiben zu können. „ Menschen haben ein hohes Interesse daran, ihre Gesundheit und ihre Selbständigkeit zu erhalten. Wenn ihnen ein Roboter dazu verhilft, werden sie das gern in Anspruch nehmen“, zeigte sich ein Teilnehmer überzeugt.
Diskutiert wurde, ob ein disruptiver Ansatz nicht erfolgversprechender sein kann. Man solle den Versuch wagen, etwa ein vollautomatisiertes Altersheim „auf der grünen Wiese“ innovativ zu bauen. Die Akzeptanz stelle sich dann über Selektion heraus, d.h. manche Menschen, die es toll finden, würden dieses neue Angebot nutzen, andere, die es ablehnten indessen nicht. Bei einem hohen Nutzen für die Menschen entsteht damit eine große Nachfrage, die das System verändern wird. Er vertrat die Auffassung, man solle seine Energie dagegen nicht damit verbrauchen, gegen die Widerstände von gestern zu kämpfen. Es brauche einen Spiritus Rector, der die Richtung vorgebe. Ein weiterer Teilnehmer unterstützte diese Einstellung: „Es ist spannend, einfach mal in Praxis zu gehen und die Dinge auszuprobieren. Das wird viel zu selten gemacht.“